Geschichten der Nacht # 43

"Der Brunnen der Ewigkeit"

von

Christiane Lieke
("Wintermute")

erschienen
März 2004

Cover GdN 44 - copyright Christiane Lieke

CHRISTIANE LIEKE
(Clubpseudonym: Wintermute
)
geb. 10. September 1968
Interessen: Science Fiction, Phantastik & Mystery
Wintermute zeichnet sehr gerne mit Bleistift und Tuscheutensilien, beim Malen benutzt sie hauptsächlich Wasserfarben und eine Gouache-Technik.
Christiane hat fast ein Drittel aller Romane der GESCHICHTEN DER NACHT verfasst.
„Der Brunnen der Ewigkeit“ ist ihr 16. Roman in unserer Fanzine-Reihe.

Christiane Lieke ("Wintermute")

Zu diesem Roman schrieb sie der Redaktion:

Die vorliegende Story basiert auf „Die Geschichte der Nachtelfen“, einer Art Exposé innerhalb des WARCRAFT –Universums, wie es im Handbuch von WARCRAFT III geschildert wird. Von meinem Schwager darauf aufmerksam gemacht, habe ich das Exposé aufgegriffen und in meine persönliche Interpretation der Geschehnisse umgesetzt. Namen und Orte, auch die meisten Eigenschaften entsprechen der Vorlage. Meine Story umfasst die Ereignisse, die zur katastrophalen Umgestaltung der Oberfläche der Welt Azeroth führen. Ursprünglich hatte ich geplant, alle losen Fäden, die das Schicksal Furions, Illidans und Tyrandes betreffen, in einem zweiten Teil fortzuführen, der den Wiederaufbau und die Neuordnung beschreibt.
Insofern könnte der vorliegende Teil der erste Teil einer zweiteiligen Chronik sein.

(Anm. d. Red.: siehe auch ihre WARCRAFT-Story „Die kosmische Ordnung“ in Paradise 54)


Leseprobe:

„Ich ... ich spüre etwas ... wie Stoßwellen, Vibrationen, die den Sog in Schwingung versetzen. Etwas regt sich, scheint sich suchend vorzutasten ..., ahnungslos, verlangend ...“
Ein Schatten verzückter Begeisterung huschte über das schreckliche, für die Lebenden unerträgliche Gesicht. Augen loderten auf wie Flammenmeere, auf die ein Schauer aus Magnesiumpulver herabsank. Sinnend hingen sie an der öligen Oberfläche einer flüssigen Pechlache, die den Boden einer Schale aus schwarzem Blei bedeckte. In einer Geste gedankenverlorener Beiläufigkeit ließ er sie langsam in seinen gewaltigen Klauen hin- und herschwingen, sodass sich die Lache in einen trägen Strudel verwandelte. Abrupt schleuderte er die Schale kraftvoll zu Boden und sprang von seinem Lava unterwühlten Thronsitz.
Aus unverständnissinnigen Augen starrten die versammelten Heerscharen seiner Legion ihrem Herrn entgegen.
„Archimonde!“, brüllte der Großfeind des Lebens, der Verwüster der Welten, über die Köpfe und Helme seiner millionenfachen Schar hinweg.
„Archimonde, wie werden die Pläne für den bevorstehenden Angriff vertagen. Ich habe etwas entdeckt, das mein Interesse errungen hat.“
Mit eisenkrallenbewehrten Armschienen stieß sich der Befehlshaber der Armee durch die Reihe dumpf vor sich hinstarrender Krieger. Nicht jedem gelang es, Verwunderung oder Verdruss über die unerwartete Ankündigung ihres obersten Kriegsherrn hinter einer undurch-dringlichen Miene der Geringschätzigkeit oder grimmiger Entschlossenheit zu verbergen. Einige, die den Eredar hatten rechtzeitig nahen sehen, war es gelungen, seinen machtvollen Hieben auszuweichen.
„Die Legion ist bereit, dieses Sternensystem in Angriff zu nehmen, Mylord.“
Archimonde schlug sich mit knapper Geste gegen die schwere Platte seines Brustpanzers und entgegnete dem lodernden Blick des anderen mit der kühlen Gelassenheit eines äußerst erfahrenen Strategen. Hunderttausend flammende Banner flatterten im eisigen Wind, der über die Ebene peitschte. Und erfüllte die Luft mit einem durchdringenden Gestank nach Phosphor und verbranntem Fleisch.
„Diese elende Steinkugel mit ihren verkommenden Monden hat keine Eile, Archimonde. Das, wovon ich spreche, ist weitaus vielversprechender.“
Der dunkle Gott ließ ein misstönendes Lachen hören, so urgewaltig, dass die umlegende Einöde erbebte und einige instabile Höhlendächer krachend einstürzten und tiefe Risse im Erdreich zurückließen.
„Ich bin für alle Anregungen offen, Mylord“, erwiderte der verschlagene Heerführer mit einem dünnlippigen Lächeln, das seine Reißzähne nur wenig entblößte. Die Augen in dem mit Blut und Dreck verkrusteten Gesicht glichen weißglühenden Eisenkernen.
„Ich würde dich bitten, deinen Vorschlag weiter auszuführen, Sargeras.“
Seine unerschütterliche Höflichkeit entbehrte nicht der unterschwellig ätzenden Ironie eines hochrangigen Dämonenoffiziers, der sich seiner Stellung in der Legion sehr genau bewusst war.
Mit flammenumflorter Hand deutete der titanische Anführer auf eine Lücke in der tiefhängenden Wolkendecke.
„Ich spüre die Existenz einer Welt, die sich für uneinnehmbar hält oder von Wesen bewohnt wird, die glauben, im Sog der Unterwelt unsichtbar zu sein. Selten habe ich Lebewesen wahr-genommen, die gedankenloser mit Kräften spielen, die sie am Ende in Stücke reißen werden. Entweder sind sie ungewöhnlich mächtig oder über alle Maße ahnungslos.“
Um diese Worte zu bekräftigen, ballte der Erzverwüster die gewaltige Faust und zermalmte einen Felsbrocken, den er aufgehoben hatte, zu Sand.
„Ich möchte dich damit beauftragen, den Ausgangspunkt dieser Schwingungen, die den Sog der Dunkelheit so vernehmlich erschüttern, ausfindig zu machen und ins Auge zu nehmen. Bevor deine Grubenlords sie Sternenstaub gleichmachen, möchte ich, dass du so viel Informationen über sie herausbringst wie möglich. Ich möchte sehen, wie weit ihre Urheber gehen, wenn sie erfahren, dass es jemanden gibt, der ein Auge auf sie geworfen hat. Ich möchte herausfinden, wie leicht sie dazu überredet werden können, mit ihrem Erzfeind zu paktieren oder ob sie überhaupt fähig sind, nennenswerten Wi-derstand zu leisten. Magier von solcher Macht sind wahrhaftig eine Seltenheit im erschrek-kend wehrlosen Einerlei unwissender Welten.“
„Ich schicke eine Vorhut durch den Sog, um die Quelle zu lokalisieren, Mylord.“
„Gut, zunächst ist nichts anderes erforderlich, als dass deine Einheiten das Treiben dieser Welt genau ausspähen und du mir detailliert über deine Beobachtungen berichtest. Weitergehende Befehle erfolgen zum späteren Zeitpunkt.“
„Dein Wort ist mir Befehl, Mylord.“
Mit einer angedeuteten Verbeugung schlug sich der Dämon vor die Brust, ließ die Sporen zusammenknallen, dass ein Wirbel Funken aufsprühte, und drehte sich abrupt ab. Im raschen Marschschritt kehrte er zu den Truppenteilen zurück, die zur Elite zählten, und bestimmte einen kleinen Trupp seiner Wahl. Unverzüglich setzten sie sich in Richtung des natürlichen Portals, das diese Weltenruinen mit dem Sog verband, in Bewegung.
Nur selten war Archimondes Pioniergeist eine so willkürliche Grenze gesetzt worden. So sehr er Sargeras Entscheidung verabscheute, so genau wusste er, dass es äußerst unklug war, sie in Zweifel zu ziehen. Zweifellos würde Sargeras, der ihm an Machtfülle und speziellen Erfahrungen überlegen war, einen sehr gewichtigen Grund für dieses beinahe behutsame Vorgehen haben. Selten hatte er erlebt, dass sich Sargeras persönlich für das, was sich auf einer belebten Welt herangebildet hatte, interessierte. Anscheinend war er tatsächlich auf eine nichtdämonische Zivilisation gestoßen, die verdorben genug war, die Brennende Legion herauszufordern.

*

Erfüllt mit nagender Ungeduld und quälenden Selbstzweifeln schritt Furion durch vielfach verzweigte Korridore und Seitengänge. Stünden ihm nicht die magischen Fertigkeiten eines Adepten zur Verfügung, hätte er längst sein Ziel aus den Augen und sämtliche Orientierung verloren. Allein der Gedanke an die sanftgeschwungenen elfenbeinfarbenen Schultern Tyrandes ließ sein Herz heftig klopfen.
Hatte er wirklich die Hoffnung, sie ohne vorhergehende Anmeldung in ihren Gemächern anzutreffen? Furion ahnte, wie töricht sein Vorhaben war. Doch setzte er größte Hoffnung in das Gespräch mit der Priesterin, die im Gegensatz zu ihm immerhin gelegentlich in die Nähe der Königin geriet. Aus ihrem Mund, hoffte er kühn, würde Azshara seiner Theorien wenigstens Aufmerksamkeit wenn auch keinen Glauben schenken.
Tyrande bewohnte einen der Türme, die sich wie hohe schma-le Schneckenhäuser in schwindelerregen-de Höhen schraubten. Wenn eine magische Treppe Besucher erwartete, hob sie ihn mit sanfter Kraft in die Höhe, ohne dass es ihn die geringste Mühe kostete. In diesem Fall hatte Furion weniger Glück. Kein verborgen gewobenes Affinitätsfeld wartete auf seine Ankunft. Natürlich nicht.
Schwitzend und außer Atem stützte er sich auf den gläsernen Handlauf auf, während seine Füße die enge Wendel der Treppen hochmarschierten. Stufe um Stufe arbeitete er sich in die Höhe. An einem Absatz, der zu einer verschlossenen Tür führte, musste er stehen bleiben, die Hände auf die leicht gebeugten Oberschenkel gestützt, um Luft zu schöpfen.
Zögernd trat er vor die runde Tür und griff nach dem bronzenen Bügel eines Türklopfers in Gestalt eines Hyppogryphenkopfes. Nichts deutete darauf hin, dass ihr an Besuch gelegen war. Vermutlich befand sie sich mit den Schwestern ihres Ordens in den heiligen Hallen des Tempels, um ihren täglichen Verpflichtungen nachzugehen. Furion wünschte sich, sie hätte wenigstens eine magische Botschaft im Türklopfer hinterlassen, die einem Besucher die Enttäuschung versüßte, sie nicht persönlich angetroffen zu haben. Schon hatte sich Furion umgedreht, um den weniger beschwerlichen Abstieg anzugehen. Ein leise klirrendes Geräusch ließ ihn verwirrt den Kopf zurückwerfen.
„Furion, du? Warum hast du dich nicht anmelden lassen?“
Bestürzt und verlegen wie er war, starrte der junge Nachtelf die Gestalt der Priesterin wortlos an. Flammende Röte huschte bis in die Haarwurzeln über sein blasses Gesicht. Vergeblich hoffte er sich unter dem ausladenden Kopfputz seines Gelehrtenstandes zu verstecken.
„Ich ... ich habe nicht gehofft, dich zu sehen, Tyrande.“
Wie er so dastand, die Rolle, die er umkrampft hielt, fast unter dem weiten Ärmel seines Um-hangs verbogen, glich er einem Studenten, der ein Buch aus dem verbotenen Bereich der Bi-bliothek zu entwenden versuchte.
„Tritt nur näher.“
Fast gewichtslos schwebte sie vor ihm durch die erstaunlich geräumigen Flure. Die Zimmer-flucht, die sich irgendwo zwischen den höheren Etagen des schmalen Turms verbarg, überraschte durch ihre Weitläufigkeit. Sanft getöntes Licht sickerte durch die farbigen Glasscherben des Mosaiks. Selbst Kommoden und winzige Tischchen auf gedrehten Säulenbeinen schimmerten in unwirklichen Pastellfarben, als wären sie aus Perlmutt gearbeitet worden. Tyrande selbst in ihrem schlichten Kleid aus elfenbeinfarbener Seide glich der leicht geöffneten Scheinblüte einer Callas. Furion nahm kaum wahr, wie sie ihn zu einem zierlichen Ruhesessel führte. Mit katzenartigen Bewegungen ließ sie sich ihm gegenüber auf einer Chaiselongue nieder, winkelte ein Bein an ihren Körper und betrachtete ihn voll zurückhaltender Erwartung.
„Um ganz ehrlich zu sein“, erklärte sie mit einem entwaffnenden Lächeln, „habe ich mit dir als letztes gerechnet.“
Hastig befeuchtete sich Furion die Lippen. Es kostete ihn einige Willensanstrengung, nicht wie ein törichter Adeptus minor an ihr vorbei auf die schmetterlingsflügelartigen Arabesken des Fußbodens zu starren. Sie lächelte. Der sanfte spöttische Blick aus kristallhellen Augen machte ihn ganz benommen.
„Ich ... ehm ... bin nicht ... Ich meine ...“
„Möchtest du eine Erfrischung, Furion? Wenn man diese Treppen ersteigen muss, kann sich der Weg ganz schön in die Länge ziehen.“
Der junge Gelehrte nickte erleichtert. Wenn er einen Opalglaspokal in der Hand halten würde, hatte er immerhin Gelegenheit vorzugeben, die Lichtrefraktionen im Inneren zu beobachten.
„Wo soll ich beginnen?“
Er nahm einen tiefen Schluck aus dem gereichten Becher. „Unter normalen Umständen sollte ich mich in meinem Studierzimmer in der Bibliothek aufhalten und an meinem Artikel weiterarbeiten.“
Er schluckte und hob, nun etwas mutiger, den Kopf. „Augenblicklich sieht es so aus, dass du der einzige Quel’dorei bist, der mir weiterhelfen kann. Ich habe etwas entdeckt, dessen Implikationen ich mir gar nicht auszudenken wage.“
„Auf einer deiner Reisen?“
„Du weißt davon?“ Sein Gesicht hatte einen ziemlich unverständnissinniges Ausdruck ange-nommen.
„Gewöhnlich erfährt man mehr, als es in den sich verlierenden Gängen möglich erscheint.“
„Es hängt mit dem Brunnen zusammen und der magischen Kraftquelle, die darin verborgen ist.“
„Was möchtest du damit andeuten, Furion?“ Obwohl ihre Antwort leichte Skepsis anklingen ließ, verriet ihr Blick, dass sie entschlossen war ihn anzuhören.
„Ich hätte die Zusammenhänge sehr viel eher entdecken können, hätte ich meine Sinne wirk-lich benutzt. Die Berichte der Einwohner Silvermoons, die Überlieferungen in den alten Schriften. O bei Elune, ich hätte es viel eher sehen müssen!“
Leichtfüßig war sie von ihrem Sitz geglitten. „Das hängt immer von den Voraussetzungen ab. Das, was sich direkt vor unseren Augen abspielt, ist nicht immer das Naheliegendste. Was hast du herausgefunden, Furion?“
Mit dem Gesicht zu einem kristallrosenförmigen Fenster gewandt, von dem aus tatsächlich ein Blick über die schimmernden Dächer und Spitztürme hinweg auf den See möglich war, schien sie in die Ferne zu starren. „Ich höre dir zu.“
„Ich spreche nicht von den zerfallenden Tempeln, Tyrande, auch nicht von dem schleichenden Zerfall der prächtigen Städte Kalimdors. Wie viele Hochgeborene haben den Palast nie verlas-sen, haben nie etwas anderes zu Gesicht bekommen als seine Terrassen und Flure und viel-leicht einen Blick auf die blaue, ferne Scheibe des Sees. Die Menschen, die ich draußen befragte, beobachteten in den Nächten seltsame Himmelsphänomene. Tagsüber erschüttern Beben das Land, die brüchige Ruinen zusammenstürzen lassen.“
„Erdbeben sind nichts Ungewöhnliches, Furion.“
„Heutzutage nicht mehr. In den ältesten Aufzeichnungen habe ich nie etwas darüber entdeckt, wenngleich die Besiedlung des Kontinents sehr detailliert beschrieben wird. Es scheint, dass diese Erscheinungen in den letzten Jahrhunderten immer mehr an Häufigkeit und auch Stärke zugenommen haben, insbesondere nach dem Bau des Palastes.“
„Ich möchte den Zusammenhang nicht in Abrede stellen.“ Sie schüttelte das filigrane Gebilde ihrer komplizierten Frisur. Schmuckanhänger, so dünn wie Plättchen aus Feldspat, klirrten und klangen leise bei dieser Bewegung.
„Die Zeiten, die ich in den Aufzeichnungen festgestellt habe, fallen auffällig genau deckungsgleich mit magischen Großereignissen und Versuchen zusammen, deren Protokolle in der Bibliothek verwahrt werden. Sie sind eine unmittelbare Nebenwirkung der Magie, die wir bewirken. Wenn es so weiter geht, Tyrande, sind unsere magischen Versuche Ursache für verheerendste Naturkatastrophen!“
„Das klingt in der Tat ernst. Aber ich habe das Gefühl, dass wir es mit einer sich eher langfristig entwickelnden Angelegenheit zu tun haben.“
„Du irrst dich, Tyrande! Bei Elune, die Abstände werden immer kürzer, dafür nehmen die Ausschläge ständig an Stärke zu. Wenn diese magische Praxis, wie sie von Azshara gefördert und betrieben wird, nicht eingeschränkt wird, kommt es zu unaussprechlichen Ereignissen.“
Tyrande entdeckte die Furcht in seinen flackernden Augen. „Du bist davon überzeugt, nicht wahr?“
Er nickte verzweifelt.
„Der Brunnen ist keine in sich abgeschlossene Entität. Er wurzelt in einer Kraftquelle außerhalb dieser Welt, in etwas, was jenseits von Zeit und Raum liegt. Dieses Reich, von dem ich spreche, ist der Aufenthaltsort dunkler Kräfte und Wirkungskreis verderblicher Strömungen. Er gleicht einem Leuchtfeuer, o Tyrande, das direkt in das Herz der Unterwelt strahlt: eine Landmarke, ein Begrenzungspfahl, an dem sich die dunklen Mächte der Finsternis nur orientieren müssen.“
„Was sollte ausgerechnet ich in dieser Sache tun?“ Ihre zarte wohlklingende Stimme klang deutlich schrill vor Unbegreifen.
„Deine Familie gehört zu einem Kern der Priesterschaft, die einen gemeinsamen Einfluss auf die Königin haben. Wenn es dir gelingt, die Hochwohlgeborenen nur für ein paar Tage von ihren Aktivitäten fernzuhalten, könnte das ... für mich ... für Azeroth ... sehr wichtig sein. Es ist möglich, dass wir das Feuer so wieder zum Verlöschen bringen.“
„O Furion!“ Eine leichte Röte glühte auf ihren Wangen. „Hast du den Magisterrat schon von deiner Entdeckung unterrichtet?“
„Nein, nein.“ Hastig schüttelte er den Kopf. „Bis der sich zu einer Entscheidung durchgerungen hat, die nicht gerade meine Stellung kostet, kann es schon zu spät sein! Einige Tage, Tyrande, können unter Umständen genügen, einen wirksamen Schutz zu entwickeln. Aber zur Zeit bin ich völlig ratlos.“
„Ich kann versuchen, meinen Einfluss geltend zu machen. Aber ich kann nicht versprechen, dass ich in den nächsten Tage Gelegenheit habe, eine Unterredung mit der Königin persönlich zu führen. Genau genommen habe ich nichts in der Hand, was diese Behauptung unterstützt.“
„Das ist mir bewusst, Tyrande. Doch gehörst du zu den wenigen, die noch immer bedeutenden Einfluss genießen, obwohl sie dem alten Weg nahe stehen. Der Magisterrat kennt meine Ansichten.“
„Gut, ich verspreche dir, das zu tun, was in meiner Macht steht. Aber wenn du dem Magisterrat ausweichst, weichst du auch der Verantwortung aus, die du in deiner Funktion als Scholar für die Sicherheit der Gemeinschaft trägst.“
„Ja, du hast wohl recht.“ Erschöpft erhob er sich von seinem Sitz. „Ich hatte ein Gesicht, Tyrande. Etwas Gewaltiges tauchte unter der unheilvoll bewegten Oberfläche des Brunnens auf.“
„Deine Beunruhigung könnte sich deinem Bewusstsein in Form von Visionen zeigen. Sprich mit dem Domus maximus. Es ist der beste Weg, Furion“, sprach sie eindringlich.
„Ich danke dir für deine Geduld.“
Auf unerklärliche Weise nahe daran, in Tränen auszubrechen, stürzte Furion mit hastigen Schritten durch die Flure auf den Ausgang zu. Tyrande sah bestürzt hinter ihm her. Doch sie machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Erst auf dem Treppenabsatz kam der junge Kaldorei zur Ruhe. Nach und nach sickerte die Erkenntnis in seinen verwirrten Verstand, dass eine aufmerksame Hand einen Transportzauber über die Wendeltreppe geworfen hatte, der ihn behutsam in die Tiefe beförderte. Nach einigen tiefen Atemzügen gelang es Furion, die Tränen herunterzuschlucken.
Selten fühlte er sich Tyrande, mit der zusammen er während seiner Adeptenzeit so viele Stunden in der Bibliothek verbracht hatte, ferner als in diesem Augenblick. Kaum hatte er ihre gewendelte Zimmerflucht verlassen, schien ihn die Treppe von ihr wegzubringen, als hätte er damit die letzte Verbindung zu ihr und ihrem Leben aufgegeben. Unvermutet hatte sie ihn eingelassen und angehört. Hätte er doch nur den Mut gefunden, länger zu bleiben und die Ge-fühle zu schildern, die ihm in ihrer Nähe so überwältigend erschienen waren?
In Zukunft, dachte Furion voll unvernünftiger Angst, würde sich vielleicht nie wieder eine Gelegenheit ergeben, sich beinahe zwanglos mit ihr zu treffen.

 


Impressum:

GdN #44 ist ein nichtkommerzielles Fanzine des TCE (Terranischer Club EdeN).
GdN #44 ist im März 2004 erschienen.
Umfang: 116 Seiten - Auflage: 33 Exemplare - Einzelpreis: 3,30 € plus Versand
Text / Illustrationen: Christiane Lieke

Geschichten der Nacht erscheinen in der Regel vierteljährlich;
ein Abo über 4 Ausgaben ist zum Preis von 16 € erhältlich.

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Letztes Update dieser Seite am 05.02.2007