Paradise # 56 - Eriks Rezensionen
Diamant
Andreas Brandhorst
Wilhelm Heyne Verlag
Nr. 6460
Umfang: 559 Seiten
Preis: 8,95 €
Titelbild: David Hardy
Zeichnung: Georg Joergens
|
|
Viele, viele Jahre in der Zukunft gelang es den Menschen,
in den Weltenraum vorzustossen und zahllose Sonnensysteme mit ihren
Planeten und Monden zu besiedeln. Die Besiedelung des Weltraums war
ihnen jedoch nicht von sich aus möglich.
In der Anfangszeit erhielten die Menschen Besuch von den Kantaki.
Mittels Knebelverträgen schaffte es das insektoide Volk, die
Menschen in das bereits besiedelte All zu schicken. Neben den Kantaki
gibt es noch ein zweites Volk, die Horgh, die ebenfalls wie die Kantaki
ihre Hilfe beim Transport anbieten.
Die beiden raumfahrenden Völker sind so etwas wie die Speditionen
des Universums, die ganz klar ihre Gebiete aufteilten.
Nur diese beiden Rassen besitzen die Technik und das Wissen, zwischen
den Sternen zu reisen. Nur selten kommt es zwischen den beiden Rassen
zu einem Zusammentreffen.
Während sich die beiden Spediteure, die von Lebewesen
bis Gütern alles durchs All bewegen, sich das Universum aufteilen,
sind es bei den planetengebundenen Rassen das Konsortium und die Allianz,
die über die Welten herrschen. Die wenigen freien Welten sind
jedoch in irgendeiner Weise immer noch von den Konzernen und Transporteuren
abhängig. Und wenn jemand gegen den Kodex der Kantaki verstösst,
kommt sobald niemand mehr auf oder von diesem Planeten.
Valdorian ist der jetzige Führer des Konsortiums und damit uneingeschränkt
der Herrscher über Menschen, Planeten, Geld. Ihm ist nichts zu
teuer, um seine Ziele durchzusetzen, erhält er danach das eingesetzte
Geld doppelt und dreifach inklusiver Zins und Zinseszins zurück.
Wir begegnen unserem Handlungsträger in einem gesetzten Alter
von 147 Jahren, die sehr bald dahingehen werden. Gevatter Tod steht
schon vor der Tür und klopft. Keine noch so aufwandige Behandlung
kann ihm helfen, den Tod wegzuschicken.
Valdorian ist vom ewigen Leben besessen, doch er muss erfahren, dass
sich sein langes Leben dem Ende neigt, denn sein Körper kann
nicht mehr revitalisiert werden. In der Hoffnung auf einen Ausweg
wendet er sich an die Kantaki.
Die Insektoiden verweigern ihm die Hilfe. Auf seine alten Tage sucht
er deshalb nach Lidia diKastro, die als Pilotin der Kantaki unter
dem Namen ‚Diamant’ durch die Galaxis reist. In seiner Jugend wollte
der Primus inter Pares in seiner Rolle: Beruf Sohn, Lidia beeindrucken
und sogar heiraten. Lidia hingegen liess sich nicht von ihm beeindrucken.
Weder von seiner Person, noch von seinem Geld. Ihr Ziel war eindeutig
vorgegeben. Pilotin der Kantaki und ihn wollte sie als ihren Gefährten
mit auf das Schiff nehmen. Beide hatten unvereinbare Positionen bezogen,
so dass sich ihr Weg bald wieder trennte.
Valdorian schlug den Weg als zukünftiger Führer des Konsortiums
ein, während Lidia diKastro ihre Ausbildung als Xeno-Archäologin
an den Nagel hängt. Sie entdeckte die Gabe bei sich, die notwendig
ist, mit den Kantaki zu sprechen und die Raumschiffe der Kantaki zu
steuern.
Im Hintergrund spielt eine weitere Geschichte.
Vor noch längerer Zeit tobte der tausendjährige Krieg, den
die Temporalen gegen die Kantaki und andere Völker des Universums
führten. Die geheimnisvolle Rasse der Temporalen konnte in einem
Gebiet gefangen gesetzt werden, die Null-Zeit genannt wird. Weil aber
das Gefängnis ganz dicht ist, versuchen die Temporalen Einfluss
auf Gegenwart und Zukunft zu nehmen. Dabei ist ihnen jedes Mittel
recht.
Unter anderem gelingt es ihnen, Valdorian zu beeinflussen. Der Führer
des Konsortiums bemerkt den Einfluss nicht und bricht letztlich einen
neuen Krieg vom Zaun, der zur völligen Zerstörung des Konsortiums
führt.
Der Verräter bei diesem Krieg ist dabei sein eigener Sohn.
Andreas Brandhorst
arbeitet vor allem als Übersetzer. In seiner langen Zeit als
SF-Fan schrieb er bereits einige Romane und Kurzgeschichten. Mit diesem
Roman hat er sich jedoch selbst übertroffen.
Mit seinem Roman ‚Diamant’ präsentiert er eine ungewöhnliche
Space Opera. Sie enthält alles, was eine Space Opera benötigt.
Grosse, weltenumspannende Kriege, geheimnisvolle, ausgestorbene Rassen,
Intrigen, Verschwörungen und familieneigene Querelen.
Die Handlung spielt einige Jahrtausende
in der Zukunft. Ihr vorraus ging ein Zeitkrieg der unzählige
Anomalien in der Zeit hervorrief. Gleichzeitig wurden dadurch die
gültigen Gesetze von Raum und Zeit dauerhaft ausser Kraft gesetzt.
Seine beiden Hauptpersonen, Lidia alias Diamant und Valdorian besuche
im Laufe der Erzählung nicht nur viele unterschiedliche Welten,
sondern auch unterschiedliche Dimensionen.
Mit seinen Beschreibungen der verschiedenen Handlungsschauplätze
beweist uns Andreas Brandhorst seine grosse Vorstellungskraft. Er
beschreibt farbige Welten, die nicht nur beschrieben werden, sie leben
durch seine gekonnte Wortwahl.
Für sein Rührstück um Dorian und Diamant sind die farbenfrohen
Welten nur die Bühne mit wechselnder Kulisse. Er setzt gegenteilige
Positionen mit seinen beiden Handlungsträgern, schickt sie in
Zeiten und Dimensionen, lässt sie wie Romeo und Julia leiden
und nicht zueinander finden.
Valdorian ist ein unsympathischer Primus
inter Pares weil sich alles und jeder nach ihm richten muss. Im Laufe
der Erzählung erkennt er seine fehlenden sozialen Bindungen.
Er vergisst, dass sein Sekretär nicht nur für ihn da ist,
sondern sogar Frau und Kinder hat.
Die betont eigenwillige Diamant gab alle persönlichen Bindungen
zugunsten der Erforschung des Kosmos auf. Mit dem Raumschiff der Kantaki
kann sie nicht nur durch den Raum reisen, sondern auch fremde Dimensionen
aufsuchen. Mit ihrer Art schafft sie es sogar, von ihrer Raumschiffkapitänin
als eine Art angenommene Tochter angesehen zu werden.
Valdorian sucht nach Diamant, weil er nicht sterben will. Mit ihrer
Art zu reisen erhält sie so etwas wie die Unsterblichkeit.
Und als ihr Reisebegleiter hofft er, ebensolange leben zu können.
Da der Roman in sich nicht vollständig abgeschlossen
ist, gehe ich davon aus, mit einem Folgeband verwöhnt zu werden.
Erik Schreiber