Kontor

Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen. (Francis Bacon)

[08] Der Henker von Maracaibo

Herr der Meere Nr. 8

K.H. Scheer (Pierre de Chalon)

1. Ausgabe der überarbeiteten Neuauflage
Originalausgabe: Leihbuch, Balowa Verlag, 1958
Herausgeber: Kurt Kobler
Titelbild: Norbert Schneider
Redaktion: TCE
Durchsicht und Bearbeitung des Textes: Michael Thiesen
Kartenmaterial und Innenillustrationen: Willi Diwo
Scan des Originaltextes: Hans-Peter Kögler
Druck: Schaltungsdienst Lange OHG, Berlin
Umfang: 154 Seiten
Preis: 10 EUR
© Terranischer Club EdeN, Februar 2012

Inhalt:

Reinhard Gonder beschließt das Mittelmeer zu verlassen und erneut die Karibik anzusteuern.
Schlechtes Wetter und die in der Meerenge von Gibraltar lauernde spanische Wachflotte, bringen die scheinbar unbesiegbare Maria Stuart in höchste Gefahr.
Schon die geringste Beschädigung könnte das Linienschiff in die Reichweite der spanischen Geschütze bringen.
Und in der Karibik wartet ein neuer Feind auf Gonder und seine Mannschaft. Die unbezwingbare Festung und der grausame Generalkapitän von Neu-Granada den man den Henker von Maracaibo nennt.
Reinhard Gonder vertraut seinem Glück und der Feuerkraft seines Schiffes. Ein listenreicher Plan entsteht und der Herr der Meere setzt alles auf eine Karte um den Henker zum Teufel zu schicken.

Preis: 10,00 €

Beschreibung

Diese in den 50er Jahren noch sehr verbreitete Gattung der Literatur handelte meist von kühnen Piraten, die mit ihren Schiffen die tollsten Abenteuer erlebten. Gedruckt wurden diese Abenteuer in verschiedenen Leihbuch-Verlagen, die damals ihre Blütezeit erlebten.

KHS hatte bereits 1953 in einer ersten Leihbuch-Piratenserie Erfahrungen in dieser Art der Unterhaltungsliteratur gesammelt und setzte sie nun in einer eigenen Romanreihe um.
Anders als bei »König der Meere« (erschienen im Reihenbuch Verlag) war bei der »Heer der Meere«-Serie des BALOWA VERLAGS das Pseudonym kein Verlags-, sondern ein Autoren-Pseudonym, unter dem nur Scheer selbst schrieb.

Die ersten sechs »Herr der Meere«-Romane erschienen von 1983-85 als Jugendbücher beim ENGELBERT VERLAG in einer von seiner Frau Heidrun Scheer leicht überarbeiteten Neuauflage.

Für diese Neuauflage der HERR DER MEERE-Serie bekamen wir zunächst von Frau Scheer die Erlaubnis für den Nachdruck der ENGELBERT-Jugendbuch-Ausgabe. Kleinere Fehler, die sich in diese Ausgaben offensichtlich eingeschlichen haben, sind von uns ausgebessert.

Jetzt im Jahr 2009 setzt die MARIA STUART also nochmals die Segel, und Scheers tollkühne Piraten sind bereit, sich den Lesern des neuen Jahrtausends zu stellen.
Dem Science-Fiction Club »Terranischer Club EdeN« (TCE) ist dank der sehr großzügigen Geste von Frau Heidrun Scheer die Ehre und die Möglichkeit zuteil geworden, sogar die komplette »Herr der Meere«-Reihe neu herauszugeben, also auch die restlichen Bände 7-9.
Scheer wollte seine Leser mitnehmen. Wer bereit war, ihm zu folgen, war bald gefangen von seiner erzählerischen Dynamik und den kraftvollen Beschreibungen.

Und so möchte ich Euch bitten, mit an Bord zu kommen – auf eine Reise in eine Zeit, in der Männer noch aus Eisen und Schiffe noch aus Holz waren.

Kurt Kobler, Mai 2009
[Aus dem Vorwort des ersten Buches dieser Neuauflage]


Das TCE-Mitglied Martin Marheineke hat sich das ehrgeizige Projekt vorgenommen, die „Herr-der-Meere“-Serie fortzuführen, da am Ende von Band 9 Fragen offen blieben.
Der Titel ist „Geheimauftrag MARIA STUART“.


Leseprobe:

Die Entfernung von den in breiter und dicht geschlossener Linie näher-kommenden Spaniern betrug noch eine knappe halbe Seemeile, als Gonder überraschend und unglaublich schnell seine günstige Luvposition dicht unter Land aufgab und den gewaltigen Dreidecker abfallen ließ.
Er war vor dem Wind auf den anderen Bug gegangen, weshalb die Brise nun von Backbord achtern in die prall stehenden Segel einfiel. Commodore Altera hatte so ziemlich mit jeder Maßnahme gerechnet, nicht aber mit der rücksichtslosen Aufgabe einer der wichtigsten Positionen, die es im damaligen Seekrieg überhaupt gab.
Ein moderner Seemann kann sich wohl kaum noch vorstellen, wie unend-lich wichtig es war, bei einem Gefecht mit Segelschiffen den Wind für sich zu haben. »Luv« war immer das Vornehme, das Elegante und absolut Überlege-ne. Berühmte Admirale dieser Zeit hätten ihren rechten Arm dafür gegeben, wenn sie bei einigen Seeschlachten die absolute Luvseite für sich gehabt hät-ten.
Das wusste auch Commodore Altera, weshalb er nun Mund und Augen auf-riss, als der Brandenburger kaltschnäuzig auf den Vorteil verzichtete und sei-nen fünf schweren Schiffen einfach die Breitseite zudrehte. Seiner Ansicht nach hätte das kein vernünftiger Seemann getan, da das überraschende Manöver zwangsläufig bewirkte, dass die Batterie-Kanoniere der MARIA STUART die spanischen Einheiten nun direkt von vorn sahen. Damit boten die nur die schmalste Silhouette, was für ein treffsicheres Schießen eben nicht angenehm sein konnte.
»Ich gäbe hundert Dublonen, wenn ich das blöde Gesicht des Dago-Befehlshabers sehen könnte«, sagte Gonder in dem Augenblick zu seinen brüllend auflachenden Burschen, obwohl die keine Ahnung hatten, weshalb »Er« dieses überraschende Manöver befohlen hatte.
Nur der Gascogner stöhnte verzweifelt: »Bei Gott … entweder seid Ihr wirklich irrsinnig geworden, oder Eure bisherigen Erfolge sind Euch so zu Kopf gestiegen, dass Ihr Euch vor Eurem eigenen Wagemut nicht mehr retten könnt. Wie könnt Ihr nur dicht vor den heranrauschenden Dagos halsen und Ihnen damit die Breitseite zeigen? Wollt Ihr sie etwa aus der Lage heraus ver-nichtend angreifen? Das ist doch unsinnig!«
»Es beruhigt mich immer, Mann mit dem blauen Blut, Eure düsteren Ge-danken in der Form von Worten zu hören. Ihr glaubt gar nicht, wie sicher mich das macht. Wenn Ihr eines Tages von Bord gehen solltet, so sorgt mir um Himmels willen dafür, dass ich einen guten Schwarzseher an Eurer Stelle als Stellvertreter bekomme.«
Der Schwarzbart lachte dröhnend, und der danebenstehende Bretone sah aus lauernden Augen zu den spanischen Schiffen hinüber, die soeben geschlossen eine Kursänderung einlegten. Da der Dreidecker durch sein Manöver nun direkt auf die nordafrikanische Küste zuhielt, hatte sich Altera entschlossen, die Umgehungsaktion des Brandenburgers zu verhindern. Dadurch musste er ebenfalls abfallen und kam somit in den Genuss eines plötzlich günstiger einfallenden Windes, dessen neuer Einfallwinkel ihn nicht mehr zwang, mit hart angebrassten Segeln den Weg nach vorn zu erkämpfen.
Indessen Altera bereits zu triumphieren begann, sagte Gonder mit einem bissigen Grinsen: »Schön, ihr Burschen, natürlich haben wir soeben einen Fehler gemacht, wenn man unser Manöver vom Standpunkt eines normalen Admirals betrachtet. Wir sind aber nicht so normal, da wir über zwei schöne Kanonen verfügen, die ich nur dann beide zum Schuss bringen kann, wenn ich den lausigen Halunken meine Breitseite zuwende. Du hast kapiert, Bretone?«
Der Riese nickte nur und fragte dann kurz: »Welches Schiff soll ich neh-men?«
»Das, welches uns am nächsten steht. Es ist ein Zweidecker mit einer selt-sam geformten Back. Setz ihm deine Langbombe so sauber in den breiten Bug, dass er mitsamt seiner Besatzung in die Luft fliegt. Ich nehme das nächste Schiff in der Linie. Verschwinde!«
Gonder hatte plötzlich jeden Humor verloren, als er über die wuchtigen Balken der Drehlafette kletterte und das Eisenrad zur Höhenverstellung durch die Hände gleiten ließ. Er hatte ein Manöver eingeleitet, das absolut selbst-mörderisch gewesen wäre, wenn er nicht seine Hundertpfünder im Rückhalt gehabt hätte.
Seine Anweisungen kamen in rascher Folge. Vorn auf dem Vorschiff war der Bretone mit den gleichen Vorbereitungen beschäftigt. Gonder ließ das Rohr wieder um die Breite eines Fingers nach unten gleiten, da die eine Galeone schon näher als auf dreihundert Meter herangekommen war.
Er wartete bis zur letzten Sekunde, und es sah so aus, als würde sich auf dem Linienschiff nichts rühren. In fiebernder Erwartung saßen die Kanoniere der Batteriegeschütze hinter ihren schweren Stücken, die sie laut Anweisung noch nicht bedienen durften. Die kostbare Steuerbord-Breitseite musste für den äu-ßersten Notfall aufgehoben werden.
Als Gonder von der Lafette sprang und den Stock mit der glimmenden Lunte erfasste, meinte André kalt: »Viel Glück, mein Herkules! Wenn Euer Schuss nicht genau sitzt, hat uns der Dago genau vor seiner Breitseite, und dann fliegen unsere Masten über Bord. Euer Manöver war gewagt. Ich wäre nicht vor einer Dwarslinie abgefallen. Wenn sie Buggeschütze haben, können sie uns jetzt schon unter Feuer nehmen.«
Gonder lächelte nur, und im nächsten Sekundenbruchteil berührte die Lun-te das angehäufte Zündpulver der Pfanne.
Urweltlich aufbrüllend entlud sich das Riesengeschütz. Zu dem bestenfalls noch zweihundertachtzig Meter entfernten Spanier orgelte eine Langbombe hinüber, die in ihrem Kopf einen sorgfältig kontrollierten Zünder trug.
Ehe der grollende Donner des Abschusses noch verhallt war, wurde das breit ausladende Vorschiff der Galeone plötzlich von einer titanischen Gewalt zerrissen. Da der Mond nun hinter der MARIA STUART stand, war der Bug des Spaniers hell beleuchtet, weshalb jeder Mann an Bord des Dreideckers den Einschlag dicht über der Wasserlinie sehen konnte.
Gonder lachte in hysterischen Lauten, und da flammte es auch schon im Vorschiff des stolzen Seglers auf. Eine glühende Feuerlohe stieg bis zur Höhe der Masten empor. Sie war durchsetzt von unzähligen Bruchstücken, die ihre düsterschwarze Farbe noch im Hochwirbeln verloren, da sie sofort Feuer fin-gen. Der schöne Zweidecker wurde mit dem gesamten Vorschiff angelüftet und aus dem Wasser gerissen, als hatte ein Riese von unten gegen den Kiel ge-schlagen.
Der dröhnende Donner der Explosion hallte über die See, und damit be-gann auch schon das lichterloh brennende und vollständig entmastete Wrack auf Tiefe zu gehen. Auch dieses Schiff hatte plötzlich keinen Bug mehr, wes-halb es sich mit seiner eigenen Fahrt in den Grund bohrte. Eine Unterteilung der Unterwasserschiffsräume war noch vollkommen unbekannt, weshalb die eindringenden Fluten keinen Widerstand in der Form von Zwischenschotts fanden. Die Galeone war so schnell verschwunden, als wäre sie niemals da ge-wesen.
Ehe der Donnerschlag noch in der Feme vergrollt war, brüllte der vordere Hundertpfünder des Bretonen auf, dessen Ziel nicht viel weiter entfernt stand. Auch seine Langbombe saß haargenau im breit ausladenden Rumpf des Seg-lers, der sich Sekundenbruchteile später in eine aufflammende Hölle verwan-delte.
Das wilde Freudengeheul von siebenhundertfünfzig ehemaligen Piraten vermochte sogar den tiefen Donner des explodierenden Schiffes zu übertönen, was auch Gonder als eine erstaunliche Leistung empfand.

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