S C I E N C E   # 62

... aus Raumfahrt,  Wissenschaft und Forschung


Zurück zum Mond – die neuen PLäne der NASA

© Joe „the Nighthawk“ Kutzner

CSV im Anflug auf ISS - Animation - (c) NASA

Als „lame Duck“, als „lahme Ente“ wird der derzeit amtierende US-Präsident in vielen Medien bezeichnet. Womit die Amerikaner auf treffende Weise einen angeschlagenen Politiker bezeichnen.

In der Tat, George W. Bush weht der Wind kräftig entgegen, und die Zeit seiner großen Erfolge ist vorbei, sowohl innen- wie außenpolitisch.

Die Mehrheit seiner Landsleute fordert inzwischen einen Rückzug der Truppen aus dem Irak, der Senat hat – mit den Stimmen der sonst Bush-treuen Republikaner! – durchgesetzt, dass Bush ab sofort jedes Vierteljahr einen Irak-Report vorzulegen habe, was nicht gerade als Vertrauensbeweis für seine Politik gilt. – Seine eklatanten Fehler bei der Bewältigung der enormen Hurrikanschäden im eigenen Land sind uns noch gut in Erinnerung.

Was diese politische Einschätzung mit der amerikanischen Raumfahrt zu tun hat?
Viel, denn die Entwicklung der Raumfahrt war und ist immer stark an die jeweilige Tagespolitik der ausübenden Nationen gebunden. Forschungsgelder fließen üppig nur in guten Zeiten, und in schlechten Zeiten können Politikern spektakuläre Erfolge bei der Erschließung des Weltraums Aufwind geben (s. John F. Kennedy und die Verkündung des Mondlandeprogramms).
In diesem Licht muss man die, von dem neu gewählten NASA-Chef Mike Griffin jüngst vorgestellten Pläne der USA, mit bemannten Missionen zum Mond zurückzukehren, sehen. Doch schauen wir zunächst, was da auf den Tisch gekommen ist:

Zunächst einmal sind wir sehr überrascht! Vor knapp 2 Jahren noch, im Januar 2004, hatte George Bush vollmundig auf dem Höhepunkt seiner Macht eine „Vision für die Erforschung des Alls“ verkündet (s. Paradise #55).
Langfristig wurde darin der bemannte Flug zum Mars beschworen, „kurz“fristig sollten Flüge „back to the moon“ erfolgen. Ein völlig neue Raumschiff – CSV (= Crew Exploration Vehicle) – sollte dazu konstruiert werden - und nun das?
Eine Kapsel, die sehr sehr stark an die gute alte Apollo erinnert! Auch die großen. Miteinander konkurrierenden Konzerne Boeing und Lockheed Martin sind verwirrt, denn sie sind bei ihren zwischenzeitlichen Entwicklungen von der Prämisse ausgegangen, dass für den Transport des Raumschiffs ins All Weiterentwicklungen ihrer bewährten Trägerraketen (Delta IV bzw. Atlas V) genügen, und die NASA bekräftigte sie auch in dieser Annahme.

Ende August verkündete Griffin jedoch auf der Jahreskonferenz des AIAA (American Institute of Aeronautics and Astronautics) in Long Beach, die künftigen Träger der US-amerikanischen Weltraum-Hardware würden auf der Shuttle-Technologie auffußen. Wörtlich: „Wir werden in absehbarer Zukunft zwei Hauptträger brauchen, und wir haben existierende Hardware beim Shuttle, die ich gern weiterverwenden möchte, anstatt sie auf den Müll zu werfen.“

Zwei Trägerraketen?

Genau, künftig wird strikt unterschieden zwischen bemannten und unbemannten Missionen:

Träger für bemannten Transport Träger für bemannten Transport

Für die bemannten Missionen zum Mond (und Mars), sprich für den Transport des CSV und des jeweiligen Landegerätes, soll eine, auf der Feststoffboostertechnik beruhende CSV-Trägerrakete (ob. links) entwickelt werden. Und einsatzbereit bereits anno 2011, also in gerade mal 6 Jahren!
Das wäre drei Jahre früher, als es in der 2004-er Vision angepeilt wurde.

Zwar würde dies zu Bushs Plänen passen, die Space Shuttles endgültig 2010 aus dem Verkehr zu ziehen, denn vier Jahre Pause für die bemannte Raumfahrt mag die Weltmacht USA nicht hinnehmen.
Doch riecht dieser mehr oder weniger blinde Aktionismus eher nach einer „Wie-stimme-ich-mein-Volk-wieder-auf-mich-ein?“-Entscheidung aus den Bauch heraus.
Die sowjetische Raumfahrthistorie ist ein Lehrstück dafür, dass solche Projekte ein deutlich höheres Gefahrenpotential für die Astronauten, die ins All geschickt werden, aufweist – wegen der deutlich höheren Pannenwahrscheinlichkeit.

Für die unbemannten Missionen - wie die russischen progress-Fähren dann für den Nachschub, aber auch für den Transport des Mondlanders verantwortlich – soll ein zweiter Träger (ob. rechts) mit dem Konzeptnamen „Longfellow“ gebaut werden:
Im Prinzip ist das ein großer langgestreckter Shuttle-Tank mit 2 angeflanschten Feststoffboostern (ebenfalls Shuttle-Technik) und der Nutzlast an der Spitze.

Tja, also nichts mit dem versprochenen Technologieschub für die nächsten 50 Jahre US-Raumfahrt :-(.
Auch das CSV (s. Abb.), das wie eine modernisierte Apollo-Kapsel aussieht, verspricht da kaum anderes.

CSV - Das Mondraumschiff Der Mondlander

Neu ist die Wiederverwendbarkeit des Raumschiffes; die Russen führen dies mit ihrem neuen Sojus-Nachfolger Klipper (s. Science 56) bereits vor.

Neu ist der vermehrte Platz für einen vierten Astronauten (bei Apollo waren es nur drei) und reichlich Material/Nahrungsgüter ..., denn eine Mondmission soll bis zu sechs Monaten(!) dauern.

Neu ist die Missionsabfolge, die einer alten Idee von Wernher v. Braun(!) folgt: Raumschiff und Lander werden mit zwei getrennten Starts ins All gebracht, dort gekoppelt – die ISS wäre dazu ideal – und fliegen dann gemeinsam weiter gen Mond (Mars). Danach entspricht das Missionskonzept bis zum Landemanöver dem der Apollo-Missionen; nur statt der Apollo-Wasserung landet CSV mittels Airbags auf hartem Boden:

Landung an Fallschirmen

Ausgetauscht werden muss für die nächste Mission danach neben dem ausgeglühten Hitzeschutzschild und den Airbags nur das Versorgungsmaterial - und natürlich die Crew :-).

Airbag-Polsterung für die harte Bodenlandung

Michael Griffin kündigte die „erste“ bemannte Mondlandung für 2018 an, die dann die siebte amerikanische wäre.
Ob die Summe von 100 Milliarden US-$ dafür reichen werden, ist eine Frage – ob sie es wert sind, eine andere.
Der NASA-Chef kann einem leid tun - aber nicht wirklich.
Denn die Gegner der Bush-Regierung, und derer werden es immer mehr, werten diese übereilte Veröffentlichung der neuen Pläne eher als einen politischen Befreiungsschlag des Präsidenten (s.o.) denn als vernünftige Kalkulation.

Quelle: Flug Revue 11/2005 (www. flug-revue.rotor.com)


zurück

Letztes Update dieser Seite am 31.12.2005