Zurück zum Mond – die neuen PLäne
der NASA
© Joe „the Nighthawk“ Kutzner
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Als „lame Duck“, als „lahme Ente“ wird
der derzeit amtierende US-Präsident in vielen Medien bezeichnet.
Womit die Amerikaner auf treffende Weise einen angeschlagenen
Politiker bezeichnen.
In der Tat, George W. Bush weht der Wind kräftig entgegen,
und die Zeit seiner großen Erfolge ist vorbei, sowohl
innen- wie außenpolitisch.
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Die Mehrheit seiner Landsleute fordert inzwischen einen Rückzug
der Truppen aus dem Irak, der Senat hat – mit den Stimmen
der sonst Bush-treuen Republikaner! – durchgesetzt, dass
Bush ab sofort jedes Vierteljahr einen Irak-Report vorzulegen
habe, was nicht gerade als Vertrauensbeweis für seine Politik
gilt. – Seine eklatanten Fehler bei der Bewältigung
der enormen Hurrikanschäden im eigenen Land sind uns noch
gut in Erinnerung.
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Was diese politische Einschätzung mit der amerikanischen
Raumfahrt zu tun hat?
Viel, denn die Entwicklung der Raumfahrt war und ist immer stark an
die jeweilige Tagespolitik der ausübenden Nationen gebunden.
Forschungsgelder fließen üppig nur in guten Zeiten, und
in schlechten Zeiten können Politikern spektakuläre Erfolge
bei der Erschließung des Weltraums Aufwind geben (s. John F.
Kennedy und die Verkündung des Mondlandeprogramms).
In diesem Licht muss man die, von dem neu gewählten NASA-Chef
Mike Griffin jüngst vorgestellten Pläne der USA, mit bemannten
Missionen zum Mond zurückzukehren, sehen. Doch schauen wir zunächst,
was da auf den Tisch gekommen ist:
Zunächst einmal sind wir sehr überrascht!
Vor knapp 2 Jahren noch, im Januar 2004, hatte George Bush vollmundig
auf dem Höhepunkt seiner Macht eine „Vision für die
Erforschung des Alls“ verkündet (s.
Paradise #55).
Langfristig wurde darin der bemannte Flug zum Mars beschworen, „kurz“fristig
sollten Flüge „back to the moon“ erfolgen. Ein völlig
neue Raumschiff – CSV (= Crew Exploration Vehicle) – sollte
dazu konstruiert werden - und nun das?
Eine Kapsel, die sehr sehr stark an die gute alte Apollo erinnert!
Auch die großen. Miteinander konkurrierenden Konzerne Boeing
und Lockheed Martin sind verwirrt, denn sie sind bei ihren zwischenzeitlichen
Entwicklungen von der Prämisse ausgegangen, dass für den
Transport des Raumschiffs ins All Weiterentwicklungen ihrer bewährten
Trägerraketen (Delta IV bzw. Atlas V) genügen, und die NASA
bekräftigte sie auch in dieser Annahme.
Ende August verkündete Griffin jedoch auf der Jahreskonferenz
des AIAA (American Institute of Aeronautics and Astronautics) in Long
Beach, die künftigen Träger der US-amerikanischen Weltraum-Hardware
würden auf der Shuttle-Technologie auffußen. Wörtlich:
„Wir werden in absehbarer Zukunft zwei Hauptträger brauchen,
und wir haben existierende Hardware beim Shuttle, die ich gern weiterverwenden
möchte, anstatt sie auf den Müll zu werfen.“
Zwei Trägerraketen?
Genau, künftig wird strikt unterschieden
zwischen bemannten und unbemannten Missionen:
Für die bemannten Missionen zum Mond (und Mars),
sprich für den Transport des CSV und des jeweiligen Landegerätes,
soll eine, auf der Feststoffboostertechnik beruhende CSV-Trägerrakete
(ob. links) entwickelt werden. Und einsatzbereit bereits anno 2011,
also in gerade mal 6 Jahren!
Das wäre drei Jahre früher, als es in der 2004-er Vision
angepeilt wurde.
Zwar würde dies zu Bushs Plänen passen, die
Space Shuttles endgültig 2010 aus dem Verkehr zu ziehen, denn
vier Jahre Pause für die bemannte Raumfahrt mag die Weltmacht
USA nicht hinnehmen.
Doch riecht dieser mehr oder weniger blinde Aktionismus eher nach
einer „Wie-stimme-ich-mein-Volk-wieder-auf-mich-ein?“-Entscheidung
aus den Bauch heraus.
Die sowjetische Raumfahrthistorie ist ein Lehrstück dafür,
dass solche Projekte ein deutlich höheres Gefahrenpotential für
die Astronauten, die ins All geschickt werden, aufweist – wegen
der deutlich höheren Pannenwahrscheinlichkeit.
Für die unbemannten Missionen - wie die russischen
progress-Fähren dann für den Nachschub, aber auch für
den Transport des Mondlanders verantwortlich – soll ein zweiter
Träger (ob. rechts) mit dem Konzeptnamen „Longfellow“
gebaut werden:
Im Prinzip ist das ein großer langgestreckter Shuttle-Tank mit
2 angeflanschten Feststoffboostern (ebenfalls Shuttle-Technik) und
der Nutzlast an der Spitze.
Tja, also nichts mit dem versprochenen Technologieschub
für die nächsten 50 Jahre US-Raumfahrt :-(.
Auch das CSV (s. Abb.), das wie eine modernisierte Apollo-Kapsel aussieht,
verspricht da kaum anderes.
Neu ist die Wiederverwendbarkeit
des Raumschiffes; die Russen führen dies mit ihrem neuen
Sojus-Nachfolger Klipper (s. Science
56) bereits vor.
Neu ist der vermehrte Platz für
einen vierten Astronauten (bei Apollo waren es nur drei) und
reichlich Material/Nahrungsgüter ..., denn eine Mondmission soll
bis zu sechs Monaten(!) dauern.
Neu ist die Missionsabfolge,
die einer alten Idee von Wernher v. Braun(!) folgt: Raumschiff und
Lander werden mit zwei getrennten Starts ins All gebracht, dort gekoppelt
– die ISS wäre dazu ideal – und fliegen dann gemeinsam
weiter gen Mond (Mars). Danach entspricht das Missionskonzept bis
zum Landemanöver dem der Apollo-Missionen; nur statt der Apollo-Wasserung
landet CSV mittels Airbags auf hartem Boden:
Ausgetauscht werden muss für die nächste Mission
danach neben dem ausgeglühten Hitzeschutzschild und den
Airbags nur das Versorgungsmaterial - und natürlich die
Crew :-).
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Michael Griffin kündigte die „erste“
bemannte Mondlandung für 2018 an, die dann die siebte amerikanische
wäre.
Ob die Summe von 100 Milliarden US-$ dafür reichen werden, ist
eine Frage – ob sie es wert sind, eine andere.
Der NASA-Chef kann einem leid tun - aber nicht wirklich.
Denn die Gegner der Bush-Regierung, und derer werden es immer mehr,
werten diese übereilte Veröffentlichung der neuen Pläne
eher als einen politischen Befreiungsschlag des Präsidenten (s.o.)
denn als vernünftige Kalkulation.
Quelle: Flug Revue 11/2005 (www.
flug-revue.rotor.com)